Opel Laubfrosch – erstes Fließbandauto Deutschlands    

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Die Fließbandfertigung des Opel Laubfroschs – offizielle Bezeichnung 4/12 PS – gilt als die Geburtsstunde für das „Auto des kleinen Mannes“ in Deutschland. Sie war gleichzeitig die Rettung für Opel, denn wegen Zulieferschwierigkeiten aus dem französisch besetzten Ruhrgebiet und der steigenden Inflation der frühen 1920er-Jahre musste die Fertigung 1923 vorübergehend eingestellt werden. Die Familie Opel bewies Weitblick und nutzte diese Zwangspause, um ihre Produktion nach amerikanischem Vorbild auf Fließbandfertigung umzustellen.

Historie und Technik                                                                                                                

Der Erfolg des ersten, in Großserie gefertigten Automobils in Deutschland ist nicht absehbar, als sich die Opel-Brüder 1923 – mitten in der Inflationszeit – entscheiden, ein Fahrzeug mit gänzlich neuen Fertigungsmethoden herzustellen und damit die deutsche Automobilproduktion zu revolutionieren. Gerade noch hat Dr. Fritz Opel auf einer USA-Reise die Fließbandtechnik bei Ford und den Einsatz moderner Werkzeugmaschinen studiert und sich weitere Anregungen in Frankreich geholt. Um erste Erfahrungen zu sammeln stellten die Opels zunächst ihre Fahrrad-Produktion auf Fließbandfertigung um. Eine enorme Kapazitätssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung war die Folge.

Dann geht es Schlag auf Schlag: Die Opel-Brüder investieren die enorme Summe von rund einer Million Goldmark, um nun auch die Automobilfertigung zu modernisieren und von Einzel- auf Fließbandproduktion umzustellen. Ganze 45 Meter ist das erste Fließband lang – nicht viel, aber es revolutioniert die Fertigung. Neu sind auch die Förderketten, die sich bald durch die Fabrik ziehen. Mit ihnen gehören die Zeiten, in denen sich die Arbeiter ihr Material von Hand oder mit einem Karren heranholen mussten, der Vergangenheit an. Kurbelgehäuse, Nockenwellen oder Zylinderblöcke kommen nun auf Transportbändern. Auch das Herzstück der Fabrik, die Montagebahn, wächst stetig an: 1928 erstreckt sich die Fließbandproduktion im Rüsselsheimer Werk bereits auf einer Länge von rund zwei Kilometern. Im Juni 1926 vermeldet das Unternehmen stolz, größter Automobilhersteller Deutschlands und größter Fahrradhersteller der Welt zu sein.          

Im Mai 1924 rollte der erste Opel 4/12 PS in Rüsselsheim vom Band. Die Bezeichnung ´4/12 PS´ ist von der vorgesehenen Kraftfahrzeugsteuer beeinflusst. Mit 4 Steuer-PS hatte der Wagen anfangs 12 PS Motorleistung. Direkt zum Start 1924 bricht er bereits mit Konventionen: Statt groß und schwarz wie die meisten Modelle fährt er als kleines, robustes Fahrzeug in grün vor – was ihm schnell den Beinamen „Laubfrosch“ einbringt. Er hat zahlreiche Neuerungen zu bieten, darunter Vierzylinder-Blockmotor mit direkt angeflanschtem Getriebe, abnehmbare Zylinderdeckel, Ölpumpenschmierung, Stahl-Lamellenkupplung, verstellbare Windschutzscheibe sowie Stahlscheibenräder. Wie die Räder ist auch der Fahrzeugrahmen aus Stahl gefertigt; darauf sitzt die restliche Karosserie aus Stahl und Holz. Sein Einliter-Reihenvierzylinder beschleunigt den Kleinwagen auf beachtliche 60 km/h Spitze und schafft im dritten Gang eine Dauergeschwindigkeit von 50 km/h. Der Schalthebel des Rechtslenkers ist nicht mehr außenbords angebracht, sondern – für die damalige Zeit sehr modern – leicht erreichbar in der Fahrzeugmitte. Der zunächst als Zwei- und später als verlängerter Dreisitzer angebotene Laubfrosch ist 3,20 Meter lang, 1,35 Meter breit und 1,65 Meter hoch, hat ein Klappverdeck als Wetterschutz und sogar einen hinter der Sitzbank im Spitzheck integrierten Kofferraum.

Weitere Modelle der 4 PS-Baureihe waren der 4/14 PS zwischen 1924 und 1925, der 4/16 PS zwischen 1925 und 1926, der 4/16 (4/18) PS zwischen 1926 und 1930, sowie der 4/20 PS, auch „1,1 Liter“ genannt, zwischen 1929 und 1931.

Als Karosserievariante bot Opel beim 1924er 4/12 PS anfangs nur einen offenen Zweisitzer mit sogenanntem „Bootsheck“ und Segeltuchverdeck an. Bei den späteren 4 PS-Modellen wuchsen die Fahrzeugmaße etwas, es gab technische Verbesserungen und weitere Varianten:

–   Zweisitzer Basisausführung:                                                                                             Offenes Modell 1924 mit Bootsheck (ab 1926 abgerundetes Heck)

–   Zweisitzer Luxusausführung:                                                                                              Offenes Modell mit verändertem Heck (ab 1925), offenes 3-sitziges Fahrzeug (ab November 1924), offenes 4-sitziges Fahrzeug (ab 1925)

–   Limousine:                                                                                                               Geschlossenes Fahrzeug ab November 1924 mit drei oder ab 1925 vier   Sitzplätzen

–   Lieferwagen:                                                                                                         Geschlossenes Fahrzeug mit Hecktür (ab November 1924)

4.500,- Rentenmark kostete der „Wagen für Jedermann“ unmittelbar nach dem Produktionsstart. Wenn auch preiswert im Vergleich zu anderen Automobilen, entsprach dies immer noch dem Gegenwert eines Eigenheims. Nach 100.000 verkauften Exemplaren war der Opel dank der rationellen Serienfertigung in der einfachen Ausführung 1930 ab 1.800,– Reichsmark erhältlich. Auf dem Automobilmarkt war der frühe „Volks-Wagen“ überaus beliebt und galt als Kleinwagen an der Schwelle zu den damaligen Mittelklassefahrzeugen. 1928 liegt sein Marktanteil bei 44 Prozent. Unmittelbar vor Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 wurde das Unternehmen von General Motors übernommen, wodurch die Fortführung der Produktion gesichert war.

Opel baute bis zum Produktionsende im Jahr 1931 etwa 120.000 Stück des 4 PS-Modells. Heute ist es bei Oldtimer-Fans ein gefragtes Sammlerstück. Derzeit gibt es in ganz Europa noch etwa 100 straßentaugliche Exemplare, die von ihren Besitzern voller Hingabe gepflegt werden.    

Nach 100 Jahren: Zurück zur Geburtsstätte in Rüsselsheim                                                                                                     

Zum 100. Geburtstag des ersten Laubfroschs im Mai 2024 hatten sich über 30 Besitzer mit ihren 4 PS-Modellen angemeldet. Ort der Begegnung war ein von Opel nicht mehr genutzter, unter Denkmalschutz stehender Gebäudekomplex, in dem bis zum Jahre 2007 die Abteilung Kundendienst untergebracht war.

Zwei Oldtimer-Liebhaber nutzten die Gelegenheit, einen Teil des großes Areal zu mieten und mit viel Fingerspitzengefühl den geschichtsträchtigen Ort mit Wohlfühlatmosphäre zu füllen: `DieWerkhalle` (die Schreibweise ist so richtig!). Liebevoll konservierte, historische Architektur, gepaart mit eindrucksvollen Ausstellungsobjekten der Industriegeschichte bilden heute die Basis einer Location für Events, die in ihrer Art und Atmosphäre einzigartig ist.   

`DieWerkhalle` auf dem ehemaligen Opel-Gelände war Treffpunkt und Präsentationsort der Laubfrosch-Familie

Jean-Marc Bach, VFV-Mitglied und Typenreferent der Alt Opel IG für die 4PS-Baureihe, bewies viel Spitzengefühl, eben diese Location für die Feier 100 Jahre Opel 4PS auszuwählen. Zumal die Opel-Werke und die Stadt Rüsselsheim am gleichen Ort und zur selben Zeit 125 Jahre Automobilbau und 100 Jahre Fließband bei Opel sowie den 187 Geburtstag des Firmengründers feierten. Vorträge von Opel-Geschäftsführer Florian Hüttl, Adam Opels Urenkel Gregor von Opel und  Oberbürgermeister Patrick Burkhardt eröffneten mittwochs die Feierlichkeiten. Am Nachmittag des nächsten Tages trafen die Teilnehmer mit ihren zierlichen 4PS-Wägelchen ein, die alle in der großen Halle Platz fanden. Aus der gesamten Republik waren sie angereist, manche sogar aus dem benachbarten Ausland.          

Schon im Eingangsbereich wurden die Besucher von einer Reihe toprestaurierter 4PS-Modelle aus deren 8-jährigen Fertigungsepoche empfangen. Gleich vorweg eins in zitronengelb. Ein gelber Laubfrosch, gab es das? Nein, natürlich nicht. Vielmehr handelte es sich um einen bereits 1922 gebauten Citroen 5CV, dem der Laubfrosch wie ein Zwilling ähnelt. Diese frappierende Ähnlichkeit mit dem zwei Jahre älteren Franzosen führte seinerzeit sogar zu Plagiatsvorwürfen gegen Opel, die letztendlich aber abgewiesen worden waren. In diesem Zusammenhang entstand übrigens auch die bekannte Redewendung „Dasselbe in Grün“.  

Citroen 5CV von 1922 (li) und Opel 4PS von 1924 (re):   „Dasselbe in Grün“

Bianca und Jan van Daalen kamen mit ihrem offenen 4/20PS-Viersitzer zu diesem Treffen sogar auf eigener Achse aus Holland nach Rüsselsheim. Noch wenige Tage zuvor war der Motor zur Überholung zerlegt. Gleich nach dem Einbau ging es Richtung Rüsselsheim und wieder zurück, wobei der Wagen die 1.200 Kilometer problemlos überstand. Bei einer Dauergeschwindigkeit von max. 50 km/h eine stolze Leistung, wenn man bedenkt dass er die Strecke nur auf Landstraßen fahren durfte, da die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO) vorschreibt, dass jedes Fahrzeug, das auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen fährt, bauartbedingt schneller als 60 km/h fahren können muss.     

Die weiteste Anreise auf eigener Achse hatten Bianca und Jan Van Daalen aus Holland mit ihrem offenen 4/20PS-Viersitzer

Fam. Schmatloch präsentierte ihren offenen Opel 4/16PS, der im Oktober 1927 vom Erstbesitzer gekauft und später zu einem Traktor umgebaut wurde. 2010 konnte Rainer Schmatloch ihn schließlich erwerben. In 6 Jahren baute er den Zweisitzer wieder in seinen Urzustand zurück.

Die Enkelin pilotierte Opas alten 4/16PS-Opel in zeitgenössischem Outfit. Der Wagen wurde vom Erstbesitzer einst zum Traktor umgebaut

Eine weitere Attraktion war der Opel Laubfrosch Sport 4/12PS aus dem  Jahre 1925, den Fam. Horst und Marina Müller präsentierte. Ein Einzelstück, das damals von einem Stellmacher gebaut wurde. Nach langwierigen Verhandlungen konnten sie Fahrgestell und Holzkarosserie erwerben. Alle fehlenden Teile mussten mühsam zusammengesucht und neu aufgebaut werden. Dauer 5 Jahre. 

Aus dem Osten Deutschlands kam dieser 4/12PS-Sportzweisitzer. Die Einzelanfertigung wurde seinerzeit von einem Stellmacher aufgebaut

Die Mitglieder der Alt Opel IG nutzten das Wochenende aber nicht nur um ihre automobilen Schätzchen dem zahlreich erschienenen Publikum zu präsentieren sondern auch, um bei herrlichem Frühlingswetter die Umgebung der Opelstadt zu erkunden. Die erste Tour startete freitags direkt an der Werkhalle und führte dann aus Rüsselsheim hinaus in Richtung Airport Frankfurt. Die Parkfläche an der Besucherplattform der Startbahn West bot dabei ausreichend Platz, die Oldtimer sicher zu parken um nach einem kurzen Spaziergang die Aussichtsplattform zu erreichen. Weiter führte die Route zu einem Landgasthof in Mörfelden und am Nachmittag über Langen wieder zurück nach Rüsselsheim, wo sie bereits von Besuchern und Presse erwartet wurden.                                               

Die zweite Ausfahrt startete am frühen Samstagmorgen im Opel-Altwerk. Unter den Augen des Firmengründers Adam Opel, der als überlebensgroße Bronzestatue unmittelbar neben dem Hauptportal auf einem Sockel steht, verließen –wie an einer Perlenschnur aufgereiht – die 4PS Autos den Ort, an dem sie 100 Jahre zuvor vom Fließband rollten.

Unter den Augen des Firmengründers: Organisator des Treffens Jean-Marc Bach und seine Frau Marie verlassen das Werk in Richtung Opel-Rennbahn

Dank der wärmenden Sonnenstrahlen schon morgens um 9 Uhr mit offenem Verdeck. Das Ziel an diesem Vormittag war die legendäre Opel Rennbahn im Süden der Stadt. Das Anfang der 1920er Jahre zunächst als Einfahrbahn für Neuwagen konzipierte, 1,5 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsoval erreichte aber schon wenig später an Wochenenden als Rennstrecke für Fahrrad,- Motorad- und Automobilrennen internationale Bekanntheit und zählte Mitte der 20er Jahre zu den 4 bedeutendsten Permanent-Rennstrecken Europas. So wurde zum Beispiel im Jahre 1927 hier das weltweit erste internationale 24 Std.-Rennen für Motorräder ausgetragen. An der Besucherplattform der Bahn erwartete Carsten Ritter, profunder Kenner der Rennbahn-Historie, die Teilnehmer der Ausfahrt, um sie mit Geschichten und Anekdoten rund um die Rennstrecke zu überraschen. Und für die 4PS-Freunde vielleicht von besonderem Interesse, dass Opel im Jahre 1924 an diesem geschichtsträchtigen Ort feierlich die komplette Tagesproduktion von 100 Laubfröschen präsentierte. Auch die ersten Raketenversuche von Fritz von Opel haben einige Jahre später hier stattgefunden – auf einem modifizierten 4PS-Fahrgestell.

                         

Weiter führte die Tour Richtung Süden ins hessische Ried, um nach einer ausgiebigen Mittagsrast wieder die Rückfahrt in `Die Werkhalle` anzutreten. Dort wurden die Oldies bereits von zahlreichen Besuchern erwartet, um gemeinsam den 100. Geburtstag der 4PS-Modelle zu feiern. Mit einem Abendessen im Hotel und viel „Benzingebabbel“ ließen die Teilnehmer ein Wochenende ausklingen, das Allen noch lange in schöner Erinnerung bleiben wird.

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Text: Jürgen Nöll, Fotos: Daniela u. Jürgen Nöll. Historische Aufnahmen Archiv Opel Classic

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