Michael Brandes – Er lernte mit dem Calibra fliegen…

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Hannover oder südwestlich von Braunschweig. Dort gibt es den Calibra-Stall von Markus Henze unter der Adresse Erhard- Schnell-Platz. 2024 zum 17. Calibra-Hoftreffen versammelten sich dort insgesamt 89 Calibras mit ihren Besatzungen.

Nicht unweit von dieser Pilgerstätte der „Calibristen“ entfernt, im Grenzgebiet der Kreise Hildesheim und Wolfenbüttel, ist ein Mann zu Hause, der „Opelanern“ und insbesondere den „Calibristen“ unter den „Opelanern“ bekannt sein sollte: Die Rede ist von Michael Brandes (66). Michael Brandes war Privat-Rallyefahrer. Nach hiesiger Kenntnis der erfolgreichste Rallyefahrer auf Opel Calibra Turbo 4×4. Ausweislich der Website der FIA World Rally Championship, errang Michael Brandes mit seinem Beifahrer Peter Sebralla in den Jahren 2001 bis 2006 mit seinem Calibra 27 Klassensiege und 2 Gesamtsiege. Wow.

Mit ihm will ich sprechen. Es ist Sonntag nach dem diesjährigen Hoftreffen. Wir sind verabredet. Wald, Feld und kleine Dörfer wechseln sich ab. Der eigene Calibra ist fast das einzige Auto auf dem Weg dorthin. Da kann man es auch mal was schneller angehen. Als mir nach einer Linkskurve ein Jogger entgegenkommt, denke ich mir als staugeplagter Düsseldorfer, dass Gefahren doch überall lauern können. Sie sind nur anderer Art.

Michael Brandes wohnt am Dorfrand. Eine von Einfamilienhäusern geprägte Straße. Es ist heimelig. Völliger Kontrast zur Stadt. Man kennt sich, man grüßt sich von Vorgarten zu Vorgarten. Michael Brandes wartet schon vor seinem Haus. Wir lassen uns im Esszimmer nieder. Der Einstieg ins Gespräch ist die Frage, wie Michael denn zum Rennsport gekommen ist. Er erzählt, dass er einfach mit einem Kumpel ein Slalomrennen besucht hat.

„Da hab‘ ich mir dann gedacht, das kannst du auch.“ Also nahm Michael sein Auto und fuhr Slalom, das heißt er fuhr hinterher. Dann hat ihm ein Kumpel gesagt, dass er mit einem serienmäßigen Auto keinen Blumentopf gewinnen kann. Also: Fahrwerk überarbeiten und renntaugliche Reifen aufziehen. „Dann lief es schon besser“. Über den BATC, den Braunschweiger Auto Touren Club, kam Michael dann zum Rallyefahren. Erste Teilnahme an der Rallye Wolfsburg. Im Jahr 1980. Als Fahrer mit einem geliehenen VW Polo – die Betonung muss hier auf dem Wort „geliehenen“ gelegt werden – und einem ihm damals unbekannten Beifahrer. Tolles Ergebnis: Klassensieg und zweiter Platz im Gesamtklassement.

Im Jahr 1981 erfolgte dann der quasi professionelle Einstieg in den Rallyesport. Erstes Auto war ein Opel Kadett C 1,9 E. „Warum Opel?“, frage ich. „Weil ich kein VW-Freund bin. Ich bin schon beim Slalom nicht mit VW Polo oder Audi 50 angetreten, sondern mit Autobianchi A 112. Dazu kam, dass ich gute Beziehungen zu Opel Dürkop hatte und daher kam ich zu Opel.“ Klare Ansage für jemanden, der seine Heimat im „Bundesland VW“ hat.

Der Kadett C 1,9 E hat nur ein Jahr durchgehalten. „Da gab es zu viele Unfälle.“ Es folgte ein Opel Kadett 2.0 GTE. Das war ein Auto von Opel Dürkop. Der war von Dürkop bereits vier Jahre auf der Rundstrecke gefahren. Zusammen mit seinem Kumpel und Nachbarn Gerd Hamel wurde der Kadett nach Straßenzulassung umgebaut. Gerd Hamel betrieb damals die Firma GH-Sport und Opel Dürkop war sein Hauptkunde. GH-Sport war im Rennsport breit verankert, stellte u.a. eigene Nockenwellen und Zylinderköpfe her.

„Mit GH habe ich bis Ende 1993 gearbeitet. Dort wurden meine Autos umgebaut. Das letzte Auto war der Opel Vectra 4×4.“ Nach dem Vectra 4×4 folgte ein Intermezzo auf BMW M3 E30.

„Im Dezember 2000 gab es ein Angebot in der Zeitschrift „Rallye Racing“: Ein Opel Calibra Turbo 4×4. Der Calibra war eine Idee von meinem Sohn Jens“, erzählt Michael Brandes. Der Opelhändler Hartmann in Alsfeld hatte den Calibra inseriert. Der Calibra war schon ein Jahr im Rallyesport gefahren worden. „Ich habe den Calibra gekauft. Der war im Serientrimm. Ist also Serienklasse gefahren. Wir haben das Auto umgebaut auf Gruppe N/F-Standard, also Motor, Bremsanlage, Übersetzung wurden geändert. Der Umbau wurde von der Firma GEMA Motorsport betreut. Damals in Garbsen, heute in Diepholz.“

Mit dem Calibra war Michael Brandes dann von 2001 bis 2006 insgesamt 52mal am Start. Zumeist ADAC-Wettbewerbe. „Der Calibra hatte richtige Fangruppen. Die wollten nur den Calibra sehen. Bei einem Ausfall sind die Fans abgereist, als klar wurde, dass wir den ausgefallenen Lüfter, nicht mehr reparieren konnten. Die Freude mit dem Rennsport ist höher, wenn sich die Leute mit den Autos identifizieren können. Dazu ein tolles Erlebnis in Rumänien: Trotz Wettbewerbe mit supertollen Autos war es so, dass die Stimmung richtig kochte, als der Dacia Logan Cup gestartet wurde. Das war ja früher auch so bei der DTM und beim Calibra. Der hatte den Identifikationsmoment.“

Im Jahr 2006 kam es dann zum abrupten k.o. des Calibra. Das war bei der Rallye „Buten un Binnen“, die auf dem sogenannten IVG-Gelände gefahren wird. Das IVG-Gelände in Liebenau war in der Kriegszeit ein Gelände zur Produktion von Nitroglyzerin. Es gibt auf dem 900 Hektar großen Gelände getarnte Gebäude und ein Straßennetz von 84 km Länge. Wegen bestehender Brand- und Unfallgefahr ist das Gelände, auch beim Rallyewertungslauf, für die Zuschauer gesperrt.

„Die Strecke ist reifenmordend. Wir hatten schon morgens eine Reifenpanne. Sind da nicht gerade auf den besten Reifen gestartet. An der besagten k.o.-Passage lenkte der Calibra nicht mehr so richtig ein. Vielleicht war ich auch ein wenig zu schnell. Auf jeden Fall sind wir am Rand vor einer tiefen Böschung an einer Baumwurzel hängengeblieben. Das Rad wurde abgerissen und hat dann auch noch den Fahrzeugboden aufgerissen. Wir sind über die Böschung. Auf der tieferen Ebene hinter der Böschung standen Bäume. Wir sind mit dem Calibra auf einer Baumkrone gelandet, dann runter, auf dem Boden aufgeschlagen, wieder in den Baum hochgeschleudert worden und dann zum zweiten Mal und endgültig aufgeschlagen. Wir hatten Angst, dass der Calibra wegen auslaufendem Öl brennen würde, da der Calibra während eines Rennens vom Krümmer bis zum Auspuff immer rotglühend war. Aber Glück gehabt. Sind aus dem Auto raus, haben dann 15 Minuten dagesessen und uns erstmal gesammelt. Nachdem der Calibra geborgen war, ging es zu GEMA Motorsport. Dann war klar: Presse. Nur die Seitenscheibe hinten rechts habe ich gerettet. Die liegt heute noch in der Garage.“

Hach diesem Unfall ist Michael Brandes nur noch fünfmal bei einer Rallye gestartet. „Mit dem Calibra war dann im Wesentlichen das Ende meiner Karriere erreicht. Ich hatte in der Zeit nach dem Unfall in 2006 eine sehr intensive berufliche Phase und dann einen Schlaganfall. Hab es zwar nochmal probiert, weil man vom Kopf denkt es geht, aber es geht dann doch nicht mehr so, wie man sich das denkt.“

Nach unserem Gespräch ist ein Rundgang durch die „Garage“ angesagt. Als ersten Eindruck denke ich mir, dass ich schon Wohnungen gesehen habe, die es mit Ordnung und Sauberkeit der Garage nicht aufnehmen können. Michael zeigt seinen im Aufbau befindlichen Ascona B mit Leichtkarosse, der zur Lackierung bereitsteht. Auf einem Fenstersims oberhalb des Ascona B steht die erwähnte Scheibe aus dem guten, alten Calibra Turbo 4×4. Mit Blick auf den Ascona und die Scheibe sagt Michael: „Wir wissen noch nicht, was wir machen. Eigentlich suchen wir einen guten Calibra.“

Mit „wir“ meint Michael seinen Sohn Jens und sich selbst. Seine Rennsportbegeisterung hat er an Jens weitergegeben, der nun auch schon viele Jahre erfolgreich auf der Piste ist. Aktuell mit Opel. Einem Corsa OPC. Was sonst?

Norbert Naulin *2065

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