Mehr als 30 Jahre Opel aus Eisenach – Ein kompletter Rückblick

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In diesem Jahr feierte der Corsa seinen 40. Geburtstag. Und jetzt im September gab es das Jubiläum 30 Jahre Opel-Werk in Eisenach. Man erinnerte daran, dass am 23. September 1992 die ersten Astra „Made in Eisenach“ das neue Montageband verlassen hatten. Aber wie es immer wieder passiert: Es gibt eine Vorgeschichte. Gemeint ist, der erste Opel aus Eisenach kam schon 1990 und war ein Vectra A.

Ein Blick zurück: Wie so Vieles, beginnen auch in Thüringen sich die Dinge Ende der 1980er Jahre zu „wenden“. Die perfiden Regeln des DDR-Staates fanden Widerstand, es folgte die Marktwirtschaft, die sich die Bürger so sehnsüchtig gewünscht hatten. Damit ging aber auch der am Standort Eisenach produzierte Wartburg verloren. Er war ein Auto, das im weltweiten Wettbewerb als veraltet und zu teuer galt. Auch der letzte Anlauf im September 1990 mit dem technisch und optisch überarbeiteten „Wartburg-New-Line“ schlug fehl. Selbst Irmscher musste passen, als er versuchte, diesen Typ optisch und technisch aufzuwerten. Am 10. April 1991 war Schluss, der letzte Wagen mit dem Wartburg-Wappen rollte vom Band direkt ins Museum.

Dabei war zu DDR Zeiten bereits im Jahr 1966 das neue Modell des Wartburg 353 als Neukonstruktion erschienen, das auf Grund der bestehenden wirtschaftlichen Zwänge sowohl in Rahmenbauweise als auch als Zweitakter entwickelt werden musste. Genau diese Technik fand aber bei den Exportmärkten zunehmend Missfallen wegen Geräusch, Geruch und Abgasverhalten. Eigene Entwicklungen eines Viertakters sowie der Einbau eines Fremdmotors scheiterten, so dass sich die DDR erst 1988 für einen modifizierten Golf-Motor aus VW-Lizenzproduktion entschied. Das war ein Jahr vor der politischen Wende, doch die Entscheidung kam zu spät. Der neue Wartburg 1,3 fand zu wenig Abnehmer.

Inzwischen interessierte sich die Adam Opel AG für den Automobilstandort Eisenach und das AWE-Wartburg-Werk. Die Marke Opel genoss in den neuen Bundesländern eine hohe Reputation, überwiegend aus der Geschichte resultierend. Deshalb fasste Opel den Entschluss, den Automobilstandort Eisenach neu zu „mobilisieren“. Schon am 9. Oktober 1990, eine Woche nach der Wiedervereinigung und weniger als 11 Monate nach dem „Mauerfall“, begann eine Montagelinie für den Vectra am AWE-Neubaustandort Eisenach/West. Der Kaufvertrag zwischen der Treuhandanstalt Berlin und Opel Rüsselsheim folgte verspätet am 13. Dezember. Macher waren gefragt –  denn es sollte schnell gehen. Weg frei für die Investitionen.

Am 7. Februar 1991 erfolgte die Grundsteinlegung des neuen Opel-Werks mit seinen drei Produktionsbereichen. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit im ehemaligen Tal des Flusses Hörsel mussten für die Fundamente der Hallen 1.226 Betonpfähle von 7 bis 12 Metern Länge eingebracht werden. Trotzdem konnte Opel schon nach acht Monaten am 9. September das Richtfest feiern. Zwischenzeitlich liefen die Schulungen der Mitarbeiter mit großem Erfolg. Am 16. Juni 1992 nahm man zuerst im sensiblen Reinraumbereich der Lackiererei den Betrieb auf. So blieb bis zum geplanten Start der Produktion im September noch genügend Zeit für Probeläufe mit den neuen ausschließlich wasserlöslichen Lacken. Auch die beiden anderen zwei Produktionsbereiche wurden rechtzeitig fertig und erlaubten ausreichend Erprobungszeiten für den Anlauf der Serienproduktion.

Am 23. September dann die große Zeremonie mit Prominenz aus Politik und Wirtschaft. Für den Bundeskanzler Helmut Kohl ein willkommener Anlass, die „kommenden blühenden Landschaften“ zu bestätigen. Synonym dieser Aussage: Ein dunkelblauer Opel Astra mit dem Aufkleber „made in Eisenach“. Stolz beteiligten sich auch die Automobilwerker an der Zeremonie – und der Bürgermeister ergänzte die Opel-Aussage „Opel baut auf Eisenach“ mit den Worten „..und Eisenach baut auf Opel“.

Schon wenige Monate später lernten die Mitarbeiter die Montage eines weiteren Modells kennen: Der Corsa (B) wurde der erste Corsa „made in Germany“. Während im spanischen Saragossa überwiegend die Viertürer vom Band liefen, entstanden in Eisenach die beliebten Dreitürer. Opel Vorstandsvorsitzender David J. Herman gab den Opel Werkern anlässlich einer Feierstunde am 3. Juni 1993 eine Lektion mit auf den Weg: „Mit der Produktion des Corsa in Eisenach möchte Opel den Beweis antreten, dass es mit Hilfe schlanker Produktion und einem hochmotivierten Team möglich ist, in Deutschland auch Kompaktwagen zu konkurrenzfähigen Kosten herzustellen.“ Auch Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel freute sich. Am 22. Februar 1995 verpflichtete sich Opel zu einem Corsa-Sondermodell „Eisenach“. Opel hatte Vertrauen gefasst in die zuverlässige Arbeitsleistung am Standort und versprach in Gegenwart von Oberbürgermeister Dr. Hans-Peter Brohun, in Eisenach das erfolgreiche Qualitätskonzept fortzusetzen.

Im Herbst 1997 feierte man mit den Mitarbeitern den fünften Geburtstag des neuen Werks, dazu hatte man auch Gäste aus Politik und Wirtschaft eingeladen. Nicht nur der Blick zurück gab Anlass zur Freude, Opel Chef Herman verkündete: „Opel Eisenach wird den neuen Astra bauen“. Bis es soweit war, dauerte es noch bis zum 27. April 1998. Nach einer intensiven, mehrmonatigen Trainingsphase wurden auf einer Fertigungslinie zwei in Form und Abmessung unterschiedliche Modelle gebaut: Jetzt gab es neben dem Corsa auch den fünftürigen Astra aus Eisenach.

Ein besonderes Jubiläum wurde am 10. November 1999 erreicht: eine Million Opel Wagen hatte man in Eisenach mobilisiert, nachdem man im September 1992 im neuen Werk begonnen und 1994 die geplante Kapazität von rund 170.000 Fahrzeugen im Jahr erreicht hatte. Der 250.000ste Opel entstand am 10.April 1995, die halbe Million am 17. Oktober 1996 und am 14.Mai 1998 begrüßte man den US -Präsidenten Bill Clinton mit dem 750.000sten Opel in Eisenach. Wahrlich eine Erfolgsparade.

Mediengerecht gab es zum Millennium im April 2000 eine Premiere für die dritte Corsa-Generation: Die erste lackierte Trainings-Karosserie wurde von Journalisten und Kameraleuten begleitet durch die Produktionsabläufe geschickt bis das erste C-Modell des Corsa mit eigener Kraft vom Band gefahren werden konnte. Im Mai 2000 folgten weitere 52 Exemplare der Nullserie. Im Juni begann die dritte und „heiße“ Phase von 270 verkaufsfähigen Corsa, bevor am 28. August der offizielle Serienstart verkündet wurde. Jetzt sollte auch diese Erfolgsstory gefeiert werden: Am 7. Oktober 2000 traf man sich in der Eisenacher Werner-Aßmann-Halle zur 10-Jahresfeier: Mitarbeiter, Wegbereiter aus Politik, Wirtschaft und der Opel AG würdigten mit vielen Journalisten diesen gelungenen Neuanfang Ost am Automobilstandort Eisenach.

Der 10. Werksgeburtstag folgte am 24. September 2002. Auch diesen nutzte man für einen offiziellen Festakt. Opel in Eisenach war inzwischen „der Leuchtturm im Wirtschaftsstandort Thüringen“ mit 2000 direkt bei Opel und weiteren 3000 Arbeitsplätzen im Umfeld der Wartburgstadt. Wieder zeigten die Mitarbeiter ihre besondere Motivation für Opel und ihr Werk: Ein von der Belegschaft entwickeltes und im Gesamtkonzern abgesegnetes Corsa-Sondermodell „Black & Silver“ sollte in 2002 Exemplaren limitiert gefertigt werden – und war zum Zeitpunkt der Feier so gut wie ausverkauft. Das exklusiv gestaltete und wertvoll ausgestattete Modell mit 1,2 Liter-75 PS erinnerte zugleich an 20 Jahre Corsa.

Bei so viel Engagement und Ideen ist es kaum verwunderlich: Der Verkaufserfolg animierte zur zweiten Auflage, diesmal als „Blue & Silver“-Modell, der zugleich am 29. April 2003 als das „1 ½ Millionen Opel aus Eisenach“-Exemplar gekürt wurde. Selbstbewusste zeigte man das Sondermodell im Frühjahr auf der AMI, einer von 1991 bis 2014 gut besuchten Automobil-Ausstellung am Messestandort Leipzig.

2003 endete in Eisenach die Produktion des Astra in der G-Generation nach über 270.000 Fahrzeugen. Teile der Produktionsanlagen übernahm das polnische Opel Werk in Gleiwitz/Gliwice, das bereits seit 1998 den Astra „Classic“ herstellte. Das war für Bündnis 90/Die Grünen bereits Anlass, die Eisenacher zum 10.Mai 2004 zu einer Wahlkampfveranstaltung einzuladen mit der provozierenden Frage „Geht Opel nach Litauen?“

Doch Opel blieb in Eisenach, und im Sommer 2006 begann mit dem Corsa D ein neues Kapitel. Jetzt baute man auch hier Vauxhall-Varianten für den britischen Markt, darunter den hier unbekannten „DelVan“, einen im Heckbereich unverglasten Lieferwagen auf Basis des Dreitürers. 2007 wird mit 184.000 montierten Fahrzeugen ein Rekordjahr. Damit hat Opel an diesem Standort mehr Automobile gebaut als die sechs Marken zuvor, die hier beheimatet waren.

Dann die Katastrophe von 2008: GM im 100. Jahr seiner Geschichte steckte in Finanznot. Die Bänder in Eisenach ruhten für drei Wochen. Auch Opel blieb nicht unberührt. Die Sorge um das Überleben der Marke war für alle eine spürbare Belastung. Täglich neue Meldungen, Spekulationen und kurzlebige Hoffnungen. Braucht Opel-Chef Hans H. Demant wirklich noch drei Werksstandorte in Deutschland? Wird GM Opel verkaufen? Bis November 2009 blieb die Unsicherheit. Dann die GM Aussage: Opel wird nicht verkauft. Doch weitermachen wie bisher versprach keine Zukunft. Während der Phase der GM Insolvenz agierten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat: Sie setzten durch, dass im Entwicklungszentrum die Arbeit an einem neuen Kleinwagen aufgenommen wurde. Am 5. Juli 2010 verkündete der neu berufene Opel Chef Nick Reilly, dass man die Produktion des neuen Kleinwagens exklusiv nach Eisenach vergeben würde. Die neue Halle für die Fertigungsbereiche des „Kleinen“ entstand in Eisenach auf der Fläche des 2004 abgerissenen VW-Werks. Erst kurz vor Beginn der Serienfertigung erfuhren Mitarbeiter und Öffentlichkeit, dass der kleine Knuffige den Namen ADAM bekommt.

Am 10. Januar 2013 begann die Montage des ADAM in Gegenwart des GM-Vize und temporären Opel-Vorsitzenden Steve Girsky. Ganz nebenbei erfuhren die Mitarbeiter, dass nach 23 Jahren das Opel Werk in Eisenach als GmbH aufgelöst und nun als Teil der Adam Opel AG geführt wurde…

Der Kleinwagen brachte Opel viel Sympathie – und in Eisenach neue Arbeitsplätze. Aber auch neue Verträge für die Arbeitnehmer, die man in Bochum verweigerte, was am 12. Dezember 2014 zur Schließung im Ruhrgebiet führte. Stattdessen wurde der Corsa D zum meistgebauten Opel aus Eisenach mit über einer Million Fahrzeugen. Zugleich war der ADAM ein Produkt der wilden Jahre und hatte seine wichtige Funktion für Marke und Standort zu leisten. Bis zum letzten Wagen am 3. Mai 2019 erfüllte er seine Pflicht.

Im Oktober 2014 kam in Eisenach die nächste Generation Corsa auf Band und bescherte 400 neuen Mitarbeitern ihr Einkommen. Auch wenn die Nachfrage schwächelte: Der Corsa E hatte optisch die Käufer nicht überzeugt und die Briten störten den Markt durch Brexit-Prognosen. Jetzt sollte der neue Mokka die Beschäftigung in Eisenach sicherstellen. Da kam der Februar 2017 mit der Nachricht „GM verkauft Opel an PSA“. Nach sechs Monaten war klar, es wird nichts mit dem Mokka in der Wartburgstadt. Da traf man sich aus Anlass 25 Jahre Aufbauarbeit mit den Gründungsvätern: Ex-Opel-Chef Louis R. Hughes, Betriebsratsvorsitzenden Harald Lieske und dem ehemaligen Direktor der AWE-Werke Dr. Wolfram Liedtke. Tatsächlich haben in 30 Jahren Werk-Eisenach 17 Werkleiter bzw. Geschäftsführer aus verschiedenen Nationen die Verantwortung für das Opel-Werk getragen. Diese Tradition wird sich auch bei PSA und nunmehr Stellantis kaum ändern.

Gefeiert wurde auch am 17. September 2022 die Eröffnung des neuen Werks in Eisenach mit einem Tag der offenen Tür. In Anwesenheit des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow erinnert Opel CEO Florian Huettl an die Anfänge: „Opel hat sich nach der Wende als einer der ersten westdeutschen Autohersteller in den neuen Ländern engagiert – mit großem Erfolg. So blickt das Werk heute auf 30 Jahre und 3,7 Millionen Fahrzeuge zurück, die hier vom Band gelaufen sind.“ Und die Politik ergänzt: „Eisenach steht seit jeher für lebendige Geschichte und fortschrittliche Entwicklung. Das zeigt die Wartburg als Wahrzeichen genauso wie die Automobilproduktion. Die vielen Unternehmen aus dem Bereich der Automobilindustrie sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Freistaat und das Werk in Eisenach verkörpert in besonderer Weise, dass in Thüringen Zukunft Tradition hat“.

Opel-Chef Florian Huettl vermittelte Zuversicht, da das Werk für die Zukunft gut aufgestellt sei. Mit dem Grandland Plug-in-Hybrid rollt erstmals auch ein elektrifiziertes Modell in Thüringen vom Band. Deshalb zeigte Opel den Besuchern die vergangenen 30 Jahre im Original, vom Vectra über viele Astra-Generationen und dem Kleinwagen-Bestseller Corsa. Auch der stylishe ADAM bis hin zum aktuellen Top-SUV der Marke, dem Opel Grandland, war alles vertreten, was in über 30 Jahren in Eisenach geschaffen wurde. Zusätzlich präsentierte Opel Classic weitere Highlights aus der 160‑jährigen Unternehmensgeschichte von der Opel Nähmaschine bis zum Corsa-e Rally, dem weltweit ersten rein batterie-elektrischen Rallyewagen eines Herstellers.

Eckhart Bartels *100

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