50 Jahre Rekord A

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„Ein Rekord im Nachempfinden gelang der Rüsselsheimer Adam Opel AG bei der Neuformung ihres Mittelklassewagens Rekord. Der Rekord 1963, der in der vergangenen Woche präsentiert wurde, hat äußerlich eine frappante Ähnlichkeit mit dem seit anderthalb Jahren auf dem Markt erfolgreichen Kompaktwagen Chevy II der amerikanischen Opel-Mutter General Motors.“ Mit dieser säuerlichen Wertung begrüßte der SPIEGEL 1963 den neuen Opel Rekord – und verschwieg, dass im Automobilbau seit Jahr und Tag der eine vom anderen abguckt. Dem Audi-Modellprogramm ist der NSU Ro80 noch immer anzusehen, im aktuellen Golf finden sich Elemente des Golf 1, der wiederum vom Simca 1100 beeinflusst war, und Mercedes zitiert gern eine Dachform, die schon 1962 beim Chrysler 300 abgekupfert war. Dessen Front übrigens Volvo kopiert hat. Wehe aber, Opel übernimmt etwas, aus dem Mutterkonzern wohlgemerkt. Dann setzt lautes Wehklagen ein, heute, aber auch schon 1963.

Nur selten gelingt einem Designer eine Form, die Jahrzehnte überdauern kann. Der angesprochene NSU Ro80 gehört dazu, der Porsche 911, der Citroen DS, der Mini, aber auch der erste Opel Olympia, aus dem in Etappen der Rekord hervorgehen sollte.

1953 wurde aus dem Olympia der Olympia Rekord, abonniert auf Platz 2 der deutschen Zulassungsstatistik, kritisiert für die nach US-amerikanischem Muster jährlich vorgenommene Modellpflege. 1957 folgte der erfolgreiche Rekord P1, erstmals mit vier Türen zu haben. Mit dem P2 wuchs die Modellfamilie erneut an: Neben dem Zweitürer, dem Viertürer und dem Caravan war nun auch ein Coupé zu haben. Doch Opels Vormachtstellung in der Mittelklasse war nicht mehr in Stein gemeißelt – VW brachte für Aufsteiger vom Käfer den unausgegorenen 1500, Ford den gefälligen 17m P3, im Volksmund „Badewanne“ genannt. Der BMW 1500 beerbte Borgwards Isabella, Importe wie Peugeot 404, Fiat 1500 oder Volvo P121 drängten auf den deutschen Markt. Der Rekord blieb die Nummer 1, aber nicht mehr das Auto, das man eben in dieser Klasse kaufte.

1962 hatte Opel mit dem Kadett nicht nur die Rückkehr in die kleine Klasse gestartet, sondern auch einen Bruch in der Formensprache vollzogen: kein Zierrat mehr, klar gegliederte Flächen, viel Glas, gute Raumausnutzung. Dazu flotte Fahrleistungen und niedriger Verbrauch durch wenig Gewicht. Der Kadett begann auf Anhieb, Opel Kunden zu verschaffen, die bislang mit der Marke wenig anfangen konnten. Doch die Umsetzung des mit dem Kadett begonnenen Wandels auf den Rekord zu übertragen erwies sich als schwierig: Die zugleich sachliche und gefällige Karosserie, typisch Opel raffiniert raumökonomisch konstruiert, versprach mehr Modernität als das Paket Rekord halten konnte. Motor und Getriebe kamen vom Vorgänger und gingen im Prinzip noch auf den Ur-Olympia zurück. 55 PS leistete der 1,5 Liter, 60 bzw. 67 PS der 1,7 Liter. Reichlich im Vergleich mit den 39 PS des ersten Olympia, nicht viel im Vergleich mit dem BMW 1500, der 80 PS aus 1,5 Litern holte. Dass der von der Fachpresse bereits für veraltet erklärte Opel-Motor hinsichtlich der Elastizität immer noch den Maßstab in seiner Klasse setzte, wurde im Vergleich der Papierwerte nicht überall erkannt. Tatsächlich ließen die Opel-Ingenieure den Motoren viel Feinarbeit angedeihen: Für die Mehrleistung sorgte in erster Linie eine neue Auspuffanlage, die auch einen leiseren Motorlauf ermöglichte. Roto-Caps, Ventildrehvorrichtungen, verbesserten die Lebensdauer ebenso wie der Ölfilter. Die Kurbelgehäuseentlüftung führte nun zum Vergaser.

Besonders viel Mühe gaben sich die Entwickler beim Verbessern des Fahrkomforts: Neue Motoraufhängungen halfen, Schwingungen zu reduzieren. Die Kardanwelle war zweiteilig, und die neu konstruierte Vorderachse erhielt in Gummibuchsen gelagerte Zugestreben. Vor allem half sie aber, das zuvor häufig kritisierte Eintauchen beim Bremsen und das Aufsteigen beim Beschleunigen zu reduzieren.

Doch solche Verbesserungen sah der Kunde nicht auf Anhieb, während eine Reihe Vereinfachungen ins Auge fielen: ein simpler Knebel statt der bislang verbauten Drehbetätigung des Ausstellfensters, billig wirkende Polsterstoffe oder eine schlichte Stange, wo zuvor aufwendige Gelenke die Motorhaube offen hielten – diese Details sorgten für Erstaunen bei langjährigen Opel-Fahrern.

Schon im Februar 1962, lange vor den sonst für die Produktionsumstellung genutzten Werksferien, begann die Fertigung der zweitürigen Limousine mit 1,5 und 1,7 Liter-Motoren. Im April konnte das Stahlschiebedach bestellt werden, im Juni Scheibenbremsen.Juli folgten die viertürige Limousine und der Lieferwagen, im August das L-Paket für die Limousine. Im September war schließlich das Coupé verfügbar, mit dem 1,7-Liter-S-Motor gut motorisiert. Für eine kleine Sensation sorgte Opel im Juni 1964: Viertürige Limousine und Coupé konnten nun auch mit dem 2,6 Liter messenden Sechszylinder des Kapitän bestellt werden.

Der intern halb spöttisch, halb ehrfürchtig „Rekortän“ genannte Hybride nahm den Commodore vorweg und hätte weit mehr als die nur gut 12.000 Einheiten erreicht, wäre Opel auf die Nachfrage eingestellt gewesen. Die Fertigungskapazitäten in Rüsselsheim ließen einfach nicht mehr zu. Doch ausgerechnet dieses vermeintlich unvernünftige Modell, das Entwicklungschef Mersheimer gegen einige Widerstände durchgesetzt hat, erwies sich schließlich als der Meilenstein der Baureihe: Es bestätigte, Opel konnte nicht nur mit dem flotten Kadett bei jungen Käufern punkten, sondern auch mit gediegen präsentierter Sportlichkeit bei arrivierten Kunden landen.

Nach 882.433 Einheiten wurde 1965 der Rekord A vom B abgelöst, optisch nur retuschiert, aber nun mit den lange erwarteten neuen CIH-Motoren. Zum Millionenseller wurde erst der Rekord C, doch die Modellpolitik, die diesen Erfolg schließlich ermöglicht hat, hat mit dem Rekord A begonnen.

In der Oldtimerszene kam der Rekord A erst spät an. Mit dem Rekord P1 und dem Rekord C konnten sich gleich zwei von vielen als besonders charismatisch empfundene Modelle schnell als Liebhaberfahrzeuge etablieren. Auch dadurch wurde dem Rekord A lange nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Seine Fahrer sind Individualisten, die darauf verzichten können und das besondere im vermeintlich banalen zu schätzen wissen. Der ohv-Motor in seiner letzten Ausbaustufe etwa bietet Reife und hohen Gebrauchsnutzen, das Fahrwerk einen deutlichen Fortschritt, den Opel damals zum Slogan „Die große Fahrfreude“ inspiriert hat. Dabei ist es nicht so hart wie das des späteren Rekord C oder D. Üppige Platzverhältnisse und riesiger Kofferraum machen Opels erfolgreiche Mittelklasse bis heute zu einem guten Reisewagen, der noch den Vorteil der Wartungsfreiheit vieler Bauteile mitbringt: Ab in den Urlaub, ohne Fettpresse.

Wie schon vor 50 Jahren ist ein Rekord A in erster Linie vernünftig. Sein Reiz erschließt sich nur denen, die sich auf ihn einlassen. Und dann dabei bleiben. Hans-Joachim Goerke fährt seit Ewigkeiten Rekord A und hat gerade in dZ 218 darüber berichtet, aber auch Christoph Nehmes und Winfried Leweling sind seit vielen Jahren im A unterwegs. Auf der nächsten Seite erzählt Thomas Oser von seiner Langzeit- Liaison mit dem Rekord A.

Text: Stefan Heins *1662
Fotos: Opel Classic Archiv der Adam Opel AG, Archiv Bart Buts *2307

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