Was können E-Fuels leisten?

Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch, aber auch am Einsatz alternativer Kraftstoffe wird bei Opel geforscht. Die Opel Post hat mit Arndt Döhler und Dr. Felix Eitel gesprochen, die die Tauglichkeit von E-Fuels untersucht haben – unter realen Fahrbedingungen mit einem Opel Grandland. Und die Ingenieure kommen zu einem eindeutigen Ergebnis.

Opel Post: Herr Eitel, Herr Döhler, Opel ist Teil von „C3-Mobility“, einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft, das der Frage nachgegangen ist, inwiefern Verbrennungsmotoren mit E-Fuels angetrieben werden können. Doch zunächst: Was genau sind E-Fuels?

Dr. Felix Eitel: Klassische Kraftstoffe, die Sie an der Tankstelle bekommen, basieren auf Rohöl, einem fossilen Energieträger. Synthetische Kraftstoffe hingegen werden künstlich hergestellt. BioFuels basieren zum Beispiel auf Biomasse. Bei E-Fuels, unserem Untersuchungsgegenstand, ist die Ausgangsbasis Ökostrom und Wasser. Der grüne Strom wird genutzt, um in einem mehrstufigen Verfahren zunächst Wasserstoff und dann Kraftstoff herzustellen – je nach chemischer Verbindung können die Eigenschaften von Benzin, Diesel, aber auch Kerosin nachgebildet werden. Das Besondere: Der Herstellungsprozess macht den Treibstoff CO2-neutral.

E-Fuels 
Der flüssige Kraftstoff wird mit regenerativen Ressourcen künstlich hergestellt. Er kann genau wie fossile Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren genutzt werden. E-Fuels verbrennen klimaneutral – es wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor im Produktionsprozess gebunden wurde.

Opel Post: Inwiefern?

Arndt Döhler: Um aus Wasserstoff E-Fuels herstellen zu können, benötigt man CO2. Entnimmt man das benötigte COaus der Luft oder aus Industrieabgasen, sogenannten Punktquellen wie etwa Braunkohlekraftwerken, können Verbrennungsmotoren damit klimaneutral betrieben werden. Nicht falsch verstehen: Die Verbrennung des E-Fuels erzeugt grundsätzlich ähnlich viele Abgase wie die Verbrennung von konventionellem Kraftstoff. Doch bei der Herstellung des E-Fuels wird das CO₂ zunächst gebunden, das Treibhausgas wird sozusagen zum Rohstoff. Sie können das vergleichen mit dem Verbrennen von Holz – dabei wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor im Holz gespeichert wurde. Unterm Strich gelangt kein zusätzliches COin die Atmosphäre.


Opel Post: 
Opel hat eine Elektro-Offensive ausgerufen: Bis 2024 wird es alle Opel-Modelle auch in elektrifizierten Varianten geben, von 2028 an setzt das Unternehmen in Europa komplett auf batterie-elektrische Fahrzeuge. Wie passt diese Strategie mit ihrer Forschungsthematik zusammen, die auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren abzielt?

Arndt Döhler: Keine Frage, der Anteil elektrischer Pkw steigt rasant. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland über 350.000 neue Stromer neu zugelassen. Doch beim potenziellen Einsatz von E-Fuels geht es auch um den Altbestand. Und der besteht derzeit nach wie vor zum Großteil aus Pkw mit Verbrennungsmotor – in Zahlen etwa 46,5 Millionen. Allein in Deutschland. Mit anderen Worten: Es gibt bereits heute 46,5 Million potenzielle Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen. Wir müssten sie nur mit ökostrombasiertem CO2-neutralem Kraftstoff betreiben!

Dr. Felix Eitel: Wenn man die Emissionen des Verkehrssektors effektiv senken möchte, müssen in Zukunft nicht nur Neuwagen, sondern auch die bestehenden Fahrzeuge zur CO2-Reduktion beitragen. E-Fuels können dazu einen signifikanten Beitrag leisten. Es geht also nicht um ein „Entweder-oder“-Szenario, sondern um einen zusätzlichen Baustein. Würde man nur den deutschen Pkw-Bestand mit E-Fuels betreiben, läge das jährliche CO2-Einsparpotential bei etwa 120 Millionen Tonnen. Das entspräche einer Reduktion von etwa 15 Prozent bezogen auf den gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands. Nun lassen sich E-Fuels auch fossilem Kraftstoff beimischen, das nennt man „blenden“. Wenn man dem gesamten deutschen Kraftstoffmix nur 1 Prozent E-Fuels beimengen würde, so könnte man umgerechnet 1 Prozent der Flotte CO2-neutral betreiben – das entspricht 465.000 Fahrzeugen. Das liegt in derselben Größenordnung, wie die aktuellen Neuzulassungen der E-Fahrzeuge, die Arndt gerade genannt hat. Es verdeutlicht das große Potential, das hier gehoben werden könnte und das es im Interesse der Gesellschaft zu nutzen gilt!

Blenden
E-Fuels müssen nicht in Reinform angewendet werden, man kann sie fossilem Kraftstoff beimischen, das nennt man blenden.

Opel Post: Von der Herstellung regenerativer Kraftstoffe bis hin zu Markteinführungsszenarien – das „C3-Mobility“-Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, es gibt gut 30 Partner, die in fünf Bereichen 27 Arbeitspakete erledigt haben. Was genau ist der Part, den Opel dabei geleistet hat?

Arndt Döhler: Auf Seiten von Opel waren Kollegen aus den Bereichen Konstruktion, Labor, Simulation, Versuch und Werkstätten beteiligt. Zusammen mit der RWTH Aachen und der Firma Tec4Fuels haben wir einen vielversprechenden Kandidaten unter den synthetischen Kraftstoffen untersucht: 2-Butanol, ein Alkohol. Mit einer Oktanzahl von 105 ist der Kraftstoff sogar klopffester als klassisches Super-Benzin. Und dank seiner hohen Energiedichte mit herkömmlichen Kraftstoffpumpen und Einspritzdüsen kompatibel. Vor den ersten Hardwaretest wurden zahlreiche Simulationen durchgeführt. Unter anderem haben wir das Spraybild des Injektors bei Einsatz von 2-Butanol untersucht. Erst nach dem virtuellen „Proof-of-Concept“ haben wir Tests mit einem realen Motor auf dem Prüfstand gefahren.

Opel Post: Auf dem Prüfstand kam welcher Motor zum Einsatz?  

Dr. Felix Eitel: Es war ein 1,2-Liter Dreizylinder-Benziner. Ein Serienmotor, sozusagen von der Stange ohne jegliche Modifikationen. Getestet haben wir reines 2-Butanol, aber auch Mischungen mit fossilem und synthetischem Benzin. Die Versuche haben gezeigt, dass der Betrieb des Motors in allen Varianten möglich ist. Spannend ist: Mischt man konventionelles, also fossiles Benzin mit 2-Butanol oder synthetischem Benzin, fungiert das E-Fuel als eine Art Booster – je höher der synthetische Anteil im Gemisch, desto weniger fossiles CO2 setzt die Verbrennung frei.

Arndt Döhler: Ich möchte hier noch den Hinweis geben, dass ein wichtiger Teil des Projektes darin bestand, die sogenannte Rückwärtskompatibilität der Kraftstoffe gemäß EN228 in der Bestandsflotte zu testen.

Opel Post: Rückwärtskompatibilität gemäß EN228 – was verbirgt sich dahinter?

Dr. Felix Eitel: 
Die Norm EN228 beschreibt die aktuellen, handelsüblichen Ottokraftstoffe, die Sie schon heute an der Zapfsäule tanken können. Neben 2-Butanol haben wir geprüft, wie unsere Motoren auf synthetisches Benzin gemäß dieser aktuellen Norm reagieren. Konkret: Ein synthetischer Kraftstoff gemäß EN228 ist ein sogenanntes Drop-In Fuel. Und diese Drop-in Fuels kann man schon heute ohne jegliche Beschränkung in allen marktgängigen Motoren verwenden. Und genau diese Drop-In-Fähigkeit ermöglicht den beschriebenen großen Hebel bei der CO2-Reduktion.

Drop-In-Fähigkeit
Der synthetische Kraftstoff entspricht dem konventionellen Kraftstoff in allen wesentlichen Eigenschaften. Er kann somit direkt – ohne technische Anpassungen – genutzt werden.

Opel Post: Um die Praxistauglichkeit des E-Fuels unter realen Bedingungen zu testen, haben Sie in einem weiteren Schritt einen Opel Grandland mit dem 1,2-Liter Benziner zum Versuchsfahrzeug auserkoren. Dabei haben Sie das Aggregat für den Einsatz mit 2-Butanol optimiert. Welche Überraschungen gab es auf der Straße?

Arndt Döhler: Keine – trotz der massiven Modifikationen an diesem Motor. Um das volle Potential von 2-Butanol auszuschöpfen, wurde die Verdichtung auf 13:1 erhöht. Während der etwa 3.000 Kilometer, die wir bisher auf Straße und Prüfstand unterwegs waren, haben wir die auf dem Prüfstand entwickelte Motorkalibrierung getestet – und deren Güte bestätigt. Ob Motorkaltstart bei 10 Grad oder Abgasrollentest: Der Praxistest unter realen Bedingungen hat die Verträglichkeit in allen Belangen bestätigt – auch in Bezug auf die geltende Abgasnorm Euro 6d. Die Emissionen konnten eingehalten werden.

Opel Post: Es gibt nicht viele, die schon mal in einem mit E-Fuels angetriebenen Auto unterwegs waren – welche bemerkenswerte Erfahrung haben Sie gemacht?  

Dr. Felix Eitel: (lacht) Da muss ich Sie leider enttäuschen. Unser Fahrzeug ist zwar ausgestattet mit Messtechnik, um während der Fahrt Temperatur-, Druck- und Lambda zu erfassen und außerdem ist es auffällig im „C3 Mobility“-Design foliert, doch alles andere ist weitestgehend unspektakulär. Das flüssige 2-Butanol können Sie wie normalen Kraftstoff tanken. Während des Fahrens bemerkt man keinen Unterschied. Aber genau das ist ja der große Pluspunkt der synthetischen Kraftstoffe: Für den Fahrer ändert sich im Grunde nichts.

Klimaneutrale Kraftstoffe
C3-Mobility ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördertes Verbundprojekt. Das Ziel: CO2-neutrale Wege für die künftige Mobilität zu erarbeiten. Im Fokus des Projekts stehen auf Methanol basierende synthetische Kraftstoffe. Betrachtet wird die gesamte Wertschöpfungskette von der Herstellung bis zur Markteinführung. Dem Konsortium gehören 30 Partner aus der Energieversorgung, der Verfahrenstechnik, des Motoren- und Fahrzeugbaus sowie der Forschung und Entwicklung an. Opel hat innerhalb des Konsortiums die Fahrzeugtauglichkeit synthetischer Kraftstoffe in kleinvolumigen Ottomotoren unter realen Fahrbedingungen untersucht.

Opel Post: Die Arbeitspakete wurden nun abgeschlossen, demnächst findet die Abschlussveranstaltung mit allen Projektteilnehmern statt. Wie lautet ihr Fazit?

Dr. Felix Eitel: Unsere Forschungsergebnisse sind vielversprechend und zeigen das hohe Potenzial der E-Fuels: 2-Butanol kann bereits in bestehenden Motoren ohne größere Modifikationen eingesetzt werden. Auch der verwendete synthetische Kraftstoff war ohne Leistungseinbußen oder Probleme in Motorentests und speziellen Materialtests einsetzbar und führte zu keinen Ausfällen. Diese Ergebnisse werden auch durch die Untersuchungen der anderen Projektpartner in C³-Mobility unterstützt und lassen uns für einen künftigen Einsatz der E-Fuels zuversichtlich in die Zukunft blicken.


Arndt Döhler: Wir haben die Praxistauglichkeit bestätigt: Verbrennungsmotoren können mit dem synthetischen Kraftstoff 2-Butanol und dem synthetischen Benzin genutzt werden. Ein zentraler Vorteil dieser Lösung ist, dass die bestehende Logistik-, Verteil- und Tankinfrastruktur bereits vorhanden ist. Ein Nachteil von 2-Butanol und synthetischem Kraftstoff generell ist zurzeit noch der hohe Preis. Hier ist auch die Politik gefragt. Zum Beispiel könnte durch die Anpassung der Mineralölsteuer ein Preisangleichung von fossilem und synthetischem Kraftstoff gelingen.

Das Potenzial von E-Fuels aufgezeigt: Auf Seiten von Opel waren Kollegen aus den Bereichen Konstruktion, Labor, Simulation, Versuch und Werkstätten an dem Projekt beteiligt. Hier zu sehen sind (von links) Felix Eitel, Niklas Neumann, Johannes Neuhäuser, Martin Schumann, Timo Beck, Arjun Chandrashekar, Jan Fritzsche, Arndt Döhler und Gregor Ochmann.

Übernommen von Opel Post, Juni 2022, Interview: Tina Henze, Fotos: Andreas Liebschner/Opel; Adobe Stock

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