Schnapszahlen: 22 Jahre, 2,2 Liter,220 km/h – der Opel Speedster

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Die Geschichte

Mit dem Speedster kehrte Opel 2001 in die kleine, aber feine Marktnische der offenen, puristischen und zweisitzigen Sportwagen zurück, die das Unternehmen in seiner langen Geschichte bereits mehrfach bereichert hat. „Die Entwicklungsgeschichte dieser Fahrzeuggattung verdeutlichen neben dem Speedster zwei Modelle, die zu den faszinierendsten Automobilen der Opel-Modellhistorie gehören: Der „Moonlight-Roadster“ demonstriert das geschwungene, leicht ausladende Fahrzeugstyling der dreißiger Jahre, die offene „Aero“-Version des legendären Opel GT wiederum gibt perfekt das ausdrucksstark-dynamische Sportwagendesign der Sechziger und Siebziger wieder.“ So schrieb Opel in einem Werbetext vom August 2000, anlässlich einer Fotoproduktion mit Opel Speedster, Aero-GT und Moonlight Roadster.

Schon im ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts entstanden Modelle wie der Opel 8/30 PS „Spezial Renntyp“. Dieser offene, zweisitzige Roadster aus dem Jahr 1913 war nichts Anderes als eine alltagstaugliche Version der Opel Grand Prix-Rennwagen mit einer auf das Nötigste beschränkten Karosserie und einem immerhin 34 PS starken Motor, der für beachtliche Fahrleistungen sorgte. Sogar aus der offenen, zweisitzigen Version des legendären, ersten Fließbandfahrzeuges 4/12 PS „Laubfrosch“ Jahrgang 1924 entwickelten die Rüsselsheimer ein sportliches Modell mit leistungsgesteigertem Motor und gekröpften Starrachsen, die das Fahrverhalten durch die Absenkung des Schwerpunktes verbesserten.

Diese Philosophie machen sich in den Folgejahren auch die in voller Blüte stehenden Karosseriebaubetriebe wie Hebmüller, Gläser, Buhne, Karmann oder Erdmann & Rossi zu eigen. Sie fertigen nach speziellen Kundenwünschen auf Großserien-Chassis neben prunkvollen und repräsentativen Limousinen auch puristische, offene Zweisitzer, die sich großer Beliebtheit erfreuen.



Roadster von Opel – ein kurzer Blick zurück

In den Gründerjahren des Automobils gab es im Prinzip nur Cabriolets. So nannte zwar niemand die offenen Zwei- oder Viersitzer, aber der Benz Motorwagen von 1886 oder der erste Opel namens Patent-Motorwagen „System Lutzmann“ von 1899 kamen ganz und gar offen daher. Schließlich waren sie zunächst „nur“ Kutschen mit Motorantrieb. Das Dach entdeckten die Konstrukteure erst später.

Streng nach Definition ist der Patent-Motorwagen „System Lutzmann“ sogar ein radikaler Roadster – kein Verdeck, keine Front- und Seitenscheiben. Auch der „Doktorwagen“ von 1909, immerhin schon mit faltbarem Wetterschutz und Frontscheibe versehen, gehört in diese Kategorie. Sogar der legendäre Laubfrosch, der ab 1924 vom Band hüpfte, darf sich als „Roadster“ brüsten – auch wenn ihn heute niemand dieser Spezies zuordnen würde.

Als erster „richtiger“ Roadster von Opel gilt der 1,8 Liter (Gelände-) Sport Roadster von 1932, ein lupenreiner Zweisitzer, der sein Verdeck zusammengerollt und sein Ersatzrad sichtbar auf dem Heck trug. Sein Sechszylindermotor leistete 32 PS und ermöglichte 90 km/h Spitze.

Mit dem gleichen Motor bestückt war der Moonlight Roadster von 1932; die rassige Karosserie fertigte der Spezialist Deutsch für Opel. Mit den rot lackierten Felgen, leuchtendroten Lederpolstern, geschwungenen Kotflügeln und dem hochaufragenden Kühlergrill war dieses Auto ein Schmuckstück seiner Zeit, das auch heute noch jedes Veteranentreffen ziert.

Bei Opel nahmen danach offene Sportwagen eine lange Auszeit. Der Opel GT wurde zwar als Targa gezeigt, doch in Produktion ging er nicht. 1982 zeigten die Rüsselsheimer den Corsa Spider als Studie. Irmscher baute dann ab 1984 diesen kleinen Windbold. An der Schwelle zum neuen Jahrtausend erinnerte sich Opel wieder an längst vergangene Zeiten und Präsentierte im März 1999 den Speedster. 2007 folgte dann der neue GT auf Basis des Pontiac Solstice, der aber nur zwei Jahre lang angeboten wurde.



Opel erkennt das Potenzial dieses Marktes und beauftragt die renommierten Blechcouturiers Georg Autenrieth aus Darmstadt und den in Köln ansässigen Karl Deutsch mit der Herstellung von Kleinserien, die auf der 1930 mit viel Beachtung präsentierte Opel 1,8 Liter-Modellreihe entstehen. Autenrieth baut den offenen Sportzweisitzer, der unter anderem 1933 mit einem Sieg bei dem Non-Stop-Langstreckenrennen „2000 Kilometer durch Deutschland“ für Furore sorgt.

Deutsch seinerseits schneidert eines der schönsten Fahrzeuge in der Opel- Modellgeschichtet den sogenannten „Moonlight-Roadster“. Stilistisch ist der elegante Zweisitzer ein typischer Vertreter seiner Zeit: Steil im Fahrtwind stehender Chrom-Kühlergrill, geschwungene Kotflügel, eine gepfeilte Windschutzscheibe, und – als besonderer Clou – das sanft abfallende Heck mit einer zentralen Heckflosse. Exklusivität war dem Käufer eines Moonlight Roadster sicher. Während der zweijährigen Bauzeit entstehen nur 51 Exemplare des 3.895 Reichsmark teuren Modells. Das Modell verfügt über die zuverlässige Großserientechnik der 1931 eingeführten 1,8-Liter-Modellreihe mit dem neuentwickelten Sechszylinder-Reihenmotor.

Kaum ein Jahr nach Erscheinen des Opel GT im Jahr 1968 eröffnete Opel 1969 mit dem Aero GT neue Perspektiven. Ein wunderschönes Targa-Coupé mit senkrecht stehender Heckscheibe und abnehmbarem Dach schmückt den Frankfurter IAA-Messestand von Opel. Die Heckpartie ist neu gestaltet, wobei die hinteren Seitenfenster entfallen. Ein stabiler Targabügel mit modischen, seitlichen Kiemen rahmt den Aero GT ein. Die senkrecht stehende Heckscheibe, elektrisch versenkbar, bildet den Abschluss des Innenraums, seitliche Streben führen die Seitenlinie wie beim Serienbruder bis zum Heck fort. Die Resonanz ist groß, das Publikum begeistert. Die Fans lassen sich in Erinnerung an die offiziellen Statements anlässlich der Experimental GT-Premiere von den vehement vorgetragenen Absagen einer Serienfertigung wenig beeindrucken. Sie sehen den offenen GT schon in den Ausstellungsräumen der Opel-Händler stehen, doch diesmal sollten sich die Hoffnungen nicht erfüllen. Es bleibt bei zwei Prototypen.

Die Werbung gab es schon, das Auto leider nie

Die Idee

Mitte der 90er Jahre bietet die Opel-Modellpalette für Open-Air-Fans nun eine Alternative. Das viersitzige Astra Cabriolet steht für die gediegene Form des Offenfahrens mit großzügigen Platzverhältnissen, elektrisch betätigtem Verdeck und ausgewogenem Fahrkomfort. Zum Jahrtausendwechsel will Opel eine Modelloffensive starten, in der sich auch die Designsprache deutlich ändern soll. Als Vorreiter schlägt der damalige Direktor der Opel-Vorausentwicklung, Walter Treser, einen kleinen, puristischen Roadster als neuen Imageträger vor. Die Wahl fällt auf die 1995 auf der IAA präsentierte Lotus Elise als Basis, auch wenn Lotus seit 1993 nicht mehr zu GM, sondern erst zur italienischen ACBN Holdings S. A. und ab 1996 zum malaysischen Proton Konzern gehört, erinnert man sich an die gute Zusammenarbeit bei der Entwicklung des 1991 vorgestellten Lotus Omega. Zudem passte das Konzept des Roadsters perfekt zu Opels Plänen und war als Basis bereits verfügbar, was eine kurze Entwicklungszeit, geringere Entwicklungskosten und einen baldigen Marktstart begünstigte. Nun stand die Herausforderung an, aus der britischen technischen Basis einen echten Opel zu formen. Frühe Skizzen zeigen, dass das Team um Martin Smith um Ideen nicht verlegen war und die Designer durchaus Vergnügen an dem Entwurf eines kleinen Opel-Sportlers hatten.

Die Optik des Zweisitzers interpretierte mit spannungsreichen Flächen, akzentuierten Radhäusern, einer schmalen Taille und steil abfallenden Flanken den „Coke Bottle Shape“ der sechziger Jahre völlig neu. Die dreidimensionalen Frontscheinwerfer und Heckleuchteneinheiten waren mit klaren Abdeckscheíben formschlüssig in die Karosserie integriert und bildeten wie die beiden übereinanderliegenden Auspuffrohre und die großen Lufteinlässe hinter den Türen und in der Motorhaube weitere optische Highlights. Die mit 1.112 Millimetern extrem flache Karosserie verlieh dem 1.708 Millimetern breiten und 3.790 Millimeter langen Leistungssportler einen bullig- dynamischen Auftritt, der durch die üppigen Spurweiten und den für Mittelmotor- Sportwagen typisch kurzen Radstand noch verstärkt wurde.

Unter der leichten Außenhaut aus glasfaserverstärktem Kunststoff sorgte ein nur 71 Kilo schweres Chassis aus verklebten Strangguss-Aluminiumprofilen für höchste Stabilität. Dieses hochfeste, verwindungssteife Aluminiumgerüst sorgte für eine hohe passive Sicherheit. Eine der Formel 1 entliehene Crashbox aus einer patentierten, verstärkten Kunststoffstruktur baute im Fall der Fälle gezielt Aufprallenergie ab. Ergänzt wurde dieses Rundum-Schutzsystem durch Fahrerairbag und pyrotechnische Gurtstraffer.

Die Fertigstellung eines in Handarbeit gebauten Opel Speedster im Lotus Werk in Hethel (UK) dauerte drei Tage.

Auch im Innenraum dominiert Aluminium, das Fahrer und Beifahrer in ihren Sportsitzen mit den Eigenschaften von Ganzkörper-Haftschalen umgab. Seitenschweller, Mittelkonsole, Armaturenbrett und der Fußraum mit verstellbaren Leichtmetall-Stützen aus gebürstetem Aluminium gaben dem Cockpit etwas minimalistisch-skulpturales. Komfort stand, zugunsten des Gewichtes, nicht im Lastenheft. Lediglich mit Stoff bezogene Schalensitze, ein 32-cm Momo Lenkrad mit Fahrerairbag und einen Einbausatz für das Radio waren in der Serienausstattung enthalten. Alufelgen und ein Stoffverdeck in Schwarz waren ebenfalls Serie. Wer wenigstens etwas mehr „Luxus“ wollte, konnte eine einfarbig schwarze oder eine zweifarbige Lederausstattung (blau, beige, rot und grün, jeweils in Kombination mit schwarz), ein Radio mit CD-Player oder den schön geformten Hardtopeinsatz als Extra ordern.

Noch etwas mehr Roadster-Flair brachte die als Zubehör erhältliche Gepäckbrücke aus Aluminium. Auch wenn im Straßenbild, wenn man sie überhaupt antrifft, die silbernen Speedster überwiegen, Opel bot durchaus mutige Farben an: Mit „Rabiatarot“, „Britisch-Racing-Grün“, „Mandarin“ oder „Chagallblau (ab 2003) konnte der Kunde seinem Speedster eine ganz persönliche Note geben.

Das erste Mittelmotor-Auto der Marke war für eine Klientel gedacht, die „…..für maximale Fahrfreude gerne auf die komfortsteigernden Insignien heutiger Automobile verzichtet.“ Schreib Opel im Pressetext.

Für diese Fahrfreude hatte Opel gesorgt. Rundum übernahmen doppelte Dreiecksquerlenker die Radführung. Vorn gab es einen Stabilisator, hinten wurde das Antriebsmoment über zusätzliche Spurstangen kompensiert. Dazu kam eine breite Spur, ein tiefer Schwerpunkt sowie eine direkte Lenkung (ohne Servounterstützung) mit 1,7 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag. Vier innenbelüftete Scheibenbremsen mit 288 Millimetern Durchmesser sorgten für sehr gute Verzögerungswerte, ABS war Serie. Der Speedster rollte vorn auf 5,5″, hinten 7,5″ breiten 17 Zoll-Leichtmetallrädern, die eigens entwickelten Bridgestone Potenza-Reifen hatten vorn das Format 175/55, hinten 225/45 R17.

Der 2.2 16V-ECOTEC-Aluminiummotor mit vier Zylindern (Z22SE), der auch im Astra Coupé zum Einsatz kam, leistete 108 kW/147 PS und lieferte ein Drehmoment von rund 200 Nm bei 4000/min. Er trieb den Speedster 2.2 Ecotec in rund 6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und ermöglichte eine Spitzengeschwindigkeit von 220 km/h.

Im September 2003 legte Opel den Speedster Turbo nach, zwar hatte die neue Motorisierung weniger Hubraum (Z20LET, 1998 ccm), aber 53 PS mehr Leistung und ein mit 250 Nm deutlich höheres Drehmoment über ein breiteres Drehzahlband verteilt. Diese Mehrleistung machte das um etwa 100 kg höhere Gewicht wett. Der Turbo nahm dem 2.2 Liter beim Spurt auf 100 km/h rund eine Sekunde ab (4,9 s) und lieft unter Idealbedingungen 243 km/h Spitze.

An der Karosserie gab es nur wenige Änderungen. Lufteinlässe an den Flanken versorgen den Ladeluftkühler mit ausreichend Frischluft, dunkel abgetönte Scheinwerfer und Heckleuchten sowie jeweils kleine Spoiler an Front und Heck unterscheiden den Turbo vom Standard Speedster. Zudem wurde das Fahrwerk neutraler abgestimmt und die Regelsoftware für die bisher zuweilen problematische Bremsanlage aktualisiert.

Gab es Kritik? Ja, die gab es! Vor allem was das durchaus schwierige Fahrverhalten des Speedster anging. Wie die Elise neigt auch der Speedster zunächst zu deutlichem untersteuern, allerdings schlägt dieses Verhalten in schnell gefahrenen Kurven unangekündigt in plötzliches Übersteuern um. Die von Opel gewählte Mischbereifung und eine feiner abgestimmte Sensorik des ABS sollte die Neigung zum Überbremsen der Hinterräder verhindern, leider nur mit mäßigem Erfolg. Um einen Speedster, egal ob 2.2 oder Turbo, angemessen sportlich zu bewegen, sollte der Fahrer schon über einige Erfahrung verfügen. Es gab auch Probleme mit dem ABS Steuergerät, welches bei vielen frühen Speedstern auf Kulanz getauscht wurde. Auch die Fertigungsqualität gab immer wieder Anlass zur Klage. Im Rahmen einer laufenden Modellpflege wurde hier aber während es gesamten Produktionszeitraumes immer wieder nachgebessert, zuletzt im Mai 2004.

Ab dem Sommer 2004 strich Opel aufgrund nachlassender Nachfrage der 2.2 Liter aus dem Programm. Im Sommer 2005 endet nach 7207 Exemplare die Geschichte des Speedster. Die letzten auf Halde produzierten Fahrzeuge wurden zu Kampfpreisen an die Kundschaft gebracht.

Das beste Verkaufsjahr des Speedster war mit 808 Einheiten das Jahr 2002, insgesamt wurden in Deutschland laut KBA 2958 Speedster neu zugelassen, davon waren zum 01.01.2021 noch 1433 auf deutschen Straßen unterwegs (1073 2.2 Liter und 360 Speedster Turbo). Das Potenzial des Opel Speedster als Liebhaber- oder Sammlerauto ist schon durch seine Sonderstellung im Opel Programm vorhanden. Die Preise ziehen derzeit deutlich an, was als Hinweis auf die zukünftige Karriere als Opel Klassiker gedeutet werden kann. Gute Exemplare beginnen bei knapp unter 20.000 Euro. Sehr gute, späte Turbos überschreiten zuweilen die 30.000 € Marke.

Empfehlenswerte Literatur:

„Opel Jahrbuch 2023“, Hrsg. Eckhart Bartels, erschienen im Podszun Verlag (erhältlich in unserem Clubshop)

„Opel Fahrzeug-Chronik“, Band 3, Podszun Verlag (Ausgabe 2022)

„Opel Speedster: Der Kompromisslose“, Michael Wiedemeier, WKP- Verlag

Text: Matthias M. Göbel *4352

Bilder: Opel Automobile GmbH, Alt Opel IG Archiv, Opel Jahrbuch 2023, Start Magazin

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