Faszination OPEL-Motorräder

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In den 1960-er Jahren, also in der Zeit, in der ich bei Opel in Rüsselsheim meine Ausbildung absolvierte, waren Motorräder, wie man heute zu sagen pflegt, mega-out.

Nach der Lehrzeit wechselte ich innerhalb des Unternehmens zur Versuchsabteilung in den Bereich Motorenentwicklung und -erprobung. Als dann Anfang der 1970-er Jahre ein ungeahnter Motorrad-Boom einsetzte und mich ein Kollege zu einer Proberunde mit seiner Maschine einlud, war es passiert. Die Faszination des Motorradfahrens ließ mich nicht mehr los. Als ich nach dem Studium auch noch eine alte NSU restauriert hatte, war der „Bazillus Veteranus“ endgültig übergesprungen.

Zu dieser Zeit war selbst im Werk nur Wenigen bekannt, dass Opel einst Motorräder gebaut hatte. Eher zufällig erfuhr ich von der Existenz so einer alten Opel-Maschine, ein Modell „Motoclub 500 T“, das noch irgendwo im Werk stehen sollte.

Von Bodo Fischer, in jenen Jahren Experte des Hauses in Sachen Unternehmensgeschichte, erfuhr ich schließlich, dass diese Motoclub in verschiedenen Ausführungen gebaut wurde und es Anfang der 1920-er Jahre von Opel sogar mal eine Bahnrennmaschine gegeben hatte. Doch nur ein paar alte Fotos und eine Prospektkopie dieser Motoclub waren noch vorhanden. Die Motorradfertigung lag eben auch schon ein halbes Jahrhundert zurück. Nicht zu vergessen, die Zerstörung des Werkes im 2. Weltkrieg, der sicher auch Teile des Archivs zum Opfer gefallen war. Hinzu kommt, dass der Motorradbau zwischen 1901 und 1930 bei den Werksherren nie Priorität besaß, sondern immer nur „die zweite Geige“ hinter den Automobilen und Fahrrädern spielte.

Dann kam das Jahr 1987 und mit ihm das Opel 125 Jahre Jubiläum. In großen weißen Festzelten auf dem Parkplatz vor dem Entwicklungszentrum wurde das Ereignis gebührend gefeiert. Die aktuellen Modelle waren hier ebenso ausgestellt wie diverse Styling-Studien, Renn- und Rallye-Fahrzeuge und – nicht zu vergessen – Oldtimer aus der Sammlung des Hauses. Hier sah ich erstmals die werkseigene Motoclub live und zu meiner Überraschung auch die Bahnrennmaschine des „Raketen“-Fritz von Opel. Letztere lieblos mit roter Farbe und reichlich Silberbronze bepinselt und mit neuzeitlichen Fahrradteilen ausgestattet. Ein eher erbarmungswürdiger Anblick für einen Historiker.

Dies war der Moment, in dem ich für mich beschloss, die in meinen Augen sträflich vernachlässigte Motorrad-Geschichte des Hauses Opel aufzuarbeiten.

Inzwischen war Heinz H. Zettl für die Oldtimer des Unternehmens verantwortlich, der meine Recherchen im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützte. Damit schien endlich im Unternehmen das Bewusstsein des Nischenthemas Motorrad geweckt worden zu sein.

In den Folgejahren begleitete ich in meiner Freizeit die Restaurierung nahezu aller Motorräder, die sich noch im Werksbesitz befanden und von denen in den vorangegangenen Jahrzehnten scheinbar niemand Notiz genommen hatte. Neben Serienmodellen auch eine Vierzylinder-Stehermaschine sowie mehrere Rennmodelle. Und last but not least entstand 2003 anlässlich 75 Jahre Opel Raketenversuche unter großem Aufwand eine Replik des Opel-Raketenmotorrades aus dem Jahre 1928.

Parallel hierzu ließ ich nichts unversucht, mit Dutzenden Fachartikeln in der nationalen und internationalen Oldtimer- und Klassikerpresse auf Opels Motorrad-Historie hinzuweisen. Meine ganzen Recherchen fanden schließlich ihren Höhepunkt in einem vom Werk autorisierten Motorradbuch, das 2001 im Heel-Verlag und später in überarbeiteter 2. Auflage im Podszun-Verlag erschien. Wenige Jahre später folgte schließlich ein weiteres Buch, das der Fahrrad-Historie des Hauses Opel gewidmet war.

Ein Vierteljahrhundert Recherche war vergangen, als ich 2007 nach 45 Jahren Betriebszugehörigkeit in den Ruhestand wechselte. Nun blieb auch Zeit für die Alt Opel IG. Schon mehrfach hatte mich Olaf Trapp gebeten, doch das Referat Opel Motorräder für die IG zu übernehmen. Jetzt konnte ich endlich zusagen.

Leute wie die Zeit vergeht. Das ist nun auch schon wieder 16 Jahre her. Doch Opels Zweiräder – ob mit oder ohne Motor – haben für mich nichts von ihrer Faszination verloren…

Jürgen Nöll *3500, Typreferent Motorräder

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